„Die Musik fängt im Menschen an…“
— Carl Orff
Lebenslauf
Der Humanist und Pädagoge Carl Orff war wohl eine der herausragendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Carl Orff wurde am 10. Juli 1895 in München geboren. Er stammte aus einer bayerischen Offiziers- und Gelehrtenfamilie. Sein Vater war Offizier, die Mutter Paula eine „durch und durch künstlerische Natur und eine grundgescheite Frau“ (Carl Orff). Die Beschäftigung mit Musik beschränkte sich für das Ehepaar Orff nicht aufs Zuhören im Konzertsaal, sondern sie musizierten auch zu Hause regelmäßig: Sie spielten vierhändig Klavier oder Heinrich Orff griff zur Violine, während sich seine Frau – eine ausgebildete Konzertpianistin – an den Flügel setzte. Vom fünften Lebensjahr an erhielt Carl Orff von seiner Mutter Klavierstunden, zwei Jahre später kam Cello-Unterricht dazu, und mit acht durfte der Junge bereits mit ins Konzert. Die Förderung seines musikalischen Talents fiel auf fruchtbaren Boden: Als Neunjähriger begann Carl Orff, kleine Musikstücke für sein Puppentheater zu schreiben.
Mit vierzehn erlebte der Gymnasiast erstmals eine große Opernaufführung: „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner. Später erinnert er sich: “Der Eindruck war so stark, dass ich tagelang nichts mehr reden wollte, kaum mehr gegessen habe und nur meinen Fantasien nachhing oder am Klavier mich austobte.“
In einer Musikalienhandlung entdeckte Carl Orff 1911 einige Studienpartituren von Werken Claude Debussys. „Dies war die Musik, die ich suchte, die mir vorschwebte, dies war die Musik, die mir so neu wie vertraut war, dies war der Stil, in dem ich mich ausdrücken konnte.“ Daraufhin fing Carl Orff an selbst zu komponieren. Für die Veröffentlichung eines Liederhefts mit Kompositionen von Carl Orff bezahlte sein Großvater 1912 einen Druckkostenzuschuss. Der Siebzehnjährige dachte nur noch an Musik, und zum Entsetzen seiner Familie brach er die Schule vorzeitig ab. Von 1912 bis 1914 studierte Carl Orff an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München Komposition. Am 1. August 1917 musste Carl Orff als Soldat in den Krieg ziehen. Dort erkrankte er an Ruhr und wurde bei einem Artilleriebeschuss in einem Unterstand verschüttet. Als er die schlimmsten Folgen der Verletzungen – Gedächtnislücken, Sprachstörungen, Bewegungshemmungen – nach einem Jahr überwunden hatte, war der Krieg zu Ende, und er wurde vom Nationaltheater in Mannheim und vom Hoftheater in Darmstadt als Kapellmeister verpflichtet. Im Sommer 1919 kehrte Carl Orff nach München zurück. Dort heiratete er im Jahr darauf die Schauspielerin Alice Solscher, die 1921 mit einer Tochter niederkam: Godela Orff. Die Ehe scheiterte jedoch und wurde nach acht Jahren geschieden. Carl Orff war danach noch dreimal verheiratet unter anderem mit der bekannten deutschen Schriftstellerin Luise Rinser. 1924 gründete Carl Orff zusammen mit Dorothee Günther eine Schule für Musik, Gymnastik, Rhythmik und Tanz. Für die „Günther-Schule“ entwickelte Carl Orff ein neues Konzept der Musik- und Bewegungserziehung, das der Schott-Verlag in Mainz 1930 bis 1934 in mehreren Heften unter dem Titel „Das Schulwerk. Elementare Musikübung“ veröffentlichte. Die dafür geeigneten Musikinstrumente – Xylophon, Glockenspiel, Trommeln u. a. – ließ Carl Orff von einem befreundeten Cembalobauer entwickeln. Carl Orff glaubte an eine „Erziehung zur Menschlichkeit mit und durch Musik“. Schon 1932 kämpfte er dafür, dass Musik, Tanz und Rhythmus eine sehr viel größere Bedeutung in den Lehrplänen der deutschen Schulen bekämen. Diese Idee scheiterte 1933 an der nationalsozialistischen Schulpolitik, zu deren Plänen Carl Orffs Konzept nicht passte. 1944 wurde die Günther-Schule von den Nationalsozialisten geschlossen. Bis zu seinem Tod komponierte Carl Orff zahlreiche Werke für Kinder und Erwachsene. In seinen zahlreichen Bühnenwerken verarbeitete er Anregungen aus dem mittelalterlichen Mysterienspiel, den Volksstoffen seiner bayrischen Heimat, aus Märchen der Welt bis hin zur griechischen Tragödie. Nach langer, schwerer Krankheit starb er am 29. März 1982 im Alter von 86 Jahren in München.
Carl Orff – die Musik
Carl Orffs bekanntestes Werk sind die „Carmina burana“, ein Musikstück, in dem er Texte aus einer mittelalterlichen Handschrift vertont. Besonders interessant für Kinder sind seine Märchenvertonungen „Der Mond“ und „Die Kluge“. Der Mond ist ein Märchen aus den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Carl Orff komponierte 1939 zu dem Märchen eine Oper gleichen Namens, zu der er sogar den Text (Libretto) selber schrieb. Er selbst nannte das Werk „ein kleines Welttheater“. Die Handlung: „Der Mond“ erzählt von einem Land ohne Mond, in dem nachts Dunkelheit herrscht. Vier Burschen begeben sich auf Wanderschaft und gelangen in ein Land, in dem eine leuchtende Kugel in einer Eiche hängt und nachts ein Licht ausstrahlt. Auf die Frage hin, was das denn sei, antwortet ihnen ein Bauer, dass der Schultheiß (Bürgermeister) diesen sogenannten Mond gekauft habe und diesen täglich mit Öl aufgießt, um ihn am Leuchten zu halten. Die Burschen beschließen, den Mond zu stehlen und nehmen ihn mit in ihr Land. Dort hängen sie ihn ebenfalls an eine Eiche und verlangen, dass das Dorf sie dabei unterstützt. Als die Burschen alt werden und ihnen klar wird, dass sie bald sterben werden, beschließen sie nacheinander, dass jeder von ihnen ein Viertel des Mondes mit in sein Grab nimmt. So gelangt der Mond in die Unterwelt und weckt dort durch sein ungewöhnliches Licht die Toten auf. Diese freuen sich und fangen an, sich zu amüsieren. Als der heilige Petrus diesen Lärm vernimmt, begibt er sich in die Unterwelt und beruhigt die Toten. Den Mond nimmt er mit in den Himmel, wo er ihn aufhängt. Die Kluge stammt ebenfalls aus den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, dort heißt das Märchen „Die kluge Bauerntochter“. Orff komponierte das Werk 1943 und gab ihm den Untertitel: „Die Geschichte vom König und der klugen Frau“. Die Handlung: Eines Tages bringt ein Bauer einen goldenen Mörser ohne Stößel mit nach Hause, den er auf dem Feld des Königs gefunden hat. Weil er auf eine Belohnung hofft, will er ihn dem König bringen. Aber seine Tochter warnt ihn, der König würde sicher auch noch den Stößel verlangen und behaupten, der Bauer habe ihn unterschlagen. Es kommt genau so, wie die Tochter es vorausgesagt hatte und der Bauer wird in den Kerker geworfen. In seiner Verzweiflung ruft er immer wieder aus: „Oh, hätt’ ich meiner Tochter nur geglaubt, nur geglaubt!“ (An dieser Stelle beginnt die Oper.)Dies kommt dem König zu Ohren und er wünscht die Tochter zu sehen. Als sie die drei Rätsel, die er ihr stellt, um ihre Klugheit zu testen, mit Leichtigkeit löst, lässt er den Bauern frei und heiratet die kluge Tochter. Doch dies geht nur so lange gut, bis sie einem Eselsbesitzer, der von dem König ungerecht behandelt wurde, zu helfen versucht und das Schloss verlassen muss. Sie darf in einer Truhe mitnehmen, woran ihr Herz am meisten hängt und sie wählt den König, dem sie vorher einen Schlaftrunk verabreicht hat. So gelingt es ihr, sich zu retten und den Herrscher endgültig zu bezwingen.
Carl Orff – Das Schulwerk
Carl Orff war der Meinung, dass Kinder auch ohne jahrelangen Klavierunterricht Musik machen können. Musik zu machen bedeutete für ihn nicht nur das Spiel auf einem Instrument, sondern auch das Singen, Sprechen und Tanzen. Das Orff-Schulwerk ist folglich einerseits ein musikpädagogisches Konzept, das zu einem elementaren Musizieren anregen möchte. Darin sind Sprache, Tanz, Stimme und Musik gleichwertige Ausdrucksformen. Auch andere Kunstformen, etwa das darstellende Spiel und die bildnerische Gestaltung können miteinbezogen werden. Gleichzeitig ist es eine Sammlung von Texten, Liedern und Instrumentalstücken, die Kinder und Lehrer zum Singen, Spielen und Tanzen anregen wollen. Beiden zugrunde liegt das Menschenbild Carl Orffs, das besagt, dass jedem Menschen eine Grundmusikalität und ein kreatives Potential innewohnt, die durch eigenes, kreatives Tun, durch Improvisation und gemein-schaftliches Musizieren geweckt werden müssen. Nach dem Krieg startete „Radio München“ (heute: Bayerischer Rundfunk) eine Sendereihe: „Orff-Schulwerk. Musik für Kinder“. Am 15. September 1948 wurde die erste Sendung ausgestrahlt. Um die dadurch steigende Nachfrage nach geeigneten Musikinstrumenten erfüllen zu können, tat Carl Orff sich mit dem Maschinenbauer Klaus Becker-Ehmck zusammen, der 1949 in Gräfelfing bei München eine entsprechende Werkstatt gründete („Studio 49“). Orff entwickelte das Orff’sche Schlagwerk. Hierfür ließ er sich durch außereuropäische Musik, besonders durch Instrumente aus Afrika, anregen.
Hier die häufigsten Orff-Instrumente: Die Körperinstrumente: klatschen, (auf die Beine) patschen, schnipsen, stampfen und alle Geräusche, die man sonst noch mit dem Körper machen kann. Die Rhythmusinstrumente: Pauken, Trommeln, Schellentrommeln, Schellen, Schellenringe, Holzblocktrommeln, Röhrentrommeln, Rasseln, Maracas, Becken, Triangeln, Klangstäbe, Zymbeln, Kastagnetten Die Melodieinstrumente: Glockenspiel, Alt-Glockenspiel, Sopran-Metallophon, Alt/Tenor-Metallophon, Bass-Metallophon, Sopran-Xylophon, Alt/Tenor- Xylo-phon, Bass- Xylophon, Klingende Stäbe aus Holz oder Metall in allen Stimmlagen Seit mehr als fünfzig Jahren sind das fünf-bändige Orff-Schulwerk, das Orff’sche Instrumentarium und die damit verbundene Musik- und Bewegungserziehung nicht mehr aus der Musikpädagogik der Kindergärten und Grundschulen wegzudenken. Weltweit prägt das Orff`sche Schulwerk in über 30 Ländern die Musikpädagogik. Zweck des Orff-Schulwerks ist es, Kinder durch spielerisches Tanzen, Singen und Musizieren zum Improvisieren anzuregen und ihre Kreativität zu fördern. Weil ihnen das auch helfen kann, sich selbst zu finden, wird das »Orff-Schulwerk« auch in der Sozial- und Heilpädagogik eingesetzt.